---25.-27.5.2018
Eigentlich beginnt der Tag sehr schön: relativ früh weckt uns die Sonne, wir stehen als 5. Wagen in der Schlange vor der estnisch-russischen Grenze (da wir auch am Tag zuvor die genaue Anfahrtsroute mit dem Roller erkundet hatten), stehen nach einer halben Stunde vor dem Tor zur Einfahrt, da weist uns ein Grenzer an, noch einmal zur Registrierungsstelle für KFZ am Stadtrand von Narva zu fahren. Auf dem angereichten Zettel steht die Adresse. Flugs ins Navi eingegeben, dabei einen Buchstaben in der Straßenbezeichnung zu viel eingetippt und schon stehen wir 20 min später mitten in einer Kleingartenkolonie mit entsprechend engen Wegen. Das Wenden mit 5 mal vor uns zurück erfordert Millimeterarbeit, die Adresse wird korrigiert und schon sind wir auf dem riesigen Gelände der KFZ-Registrierung. Fahrzeugpapiere und Reisepass des Fahrers nebst € 4,50 Gebühr abgeben und nun noch in Reihe 4 – 7 parken und die große Anzeige abwarten, bis das KFZ-Kennzeichen erscheint.
Nach 2,5 Stunden erscheint es tatsächlich und der kleine Zettel mit der Bestätigungsnummer der Registrierung kann in Hütte 2 abgeholt werden. Zurück in der Nebenstraße vor der Grenze muss sich unser Womo als geschätzte Nummer 54 in die Reihe der wartenden Fahrzeuge einreihen. Und das gerade vor einer rechtwinkligen Kurve mit Hofeinfahrt, die unser freundliches Womo natürlich frei lässt. Die aber hält ein Este für das Ende der Schlange und fährt in die freigelassene Lücke. Nach einigen freundlichen Gesten ist klar, dass auch wir warten und nicht parken und schon macht er Platz, wir fahren bei nächster Gelegenheit vor und er reiht sich hinter uns ein. Geht doch!
Gelegenheiten zum Vorfahren gibt es noch häufig, meist um eine Fahrzeuglänge, weil der erste in der Schlange das sich automatisch öffnende Gittertor zur Einfahrt passieren durfte. Das Tor schließt sich hinter uns nach ca. 2 weiteren Stunden gegen 17:00 Uhr. Es hätte vermutlich noch deutlich länger gedauert, wenn nicht einige Fahrzeuglenker vor uns in der Schlange noch zur Registrierungsstelle gemusst hätten…
Die estnische Grenzbeamtin ist bestimmend gründlich aber doch etwas freundlich und deutet uns am Ende der Prozedur an, dass wir nun noch etwas warten müssten. Die Frage nach dem Warum beantwortet sie auch gerne: „the bridge is full“. D.h. auf der Brücke über die Narva stehen bereits viele Fahrzeuge, da die Russen mit der Abfertigung nicht ganz so schnell wie die Esten sind. Vermutlich ist dies auch der Grund für die vorherigen 2 Stunden.
Auf der Brücke hat man wenigstens eine gute Aussicht auf den Fluss und die beiden Festungen …
Weitere 2 Stunden später sind auch alle Fächer unseres Mobils kontrolliert, die Visa bestätigt und abgestempelt und die Zollerklärung für das Womo in doppelter Ausführung korrekt ausgefüllt. Dann, ja dann tragen uns die russischen Straßen ab 19:40 nach St. Petersburg zu unserem Ziel Progress Camping fast mitten in Petersburg. Das Navi meint, wir bräuchten 3,5 Stunden für 158 km – das kann doch gar nicht sein! Doch – es kann. Denn auf der Strecke sind einerseits viele Ortschaften, in denen wir uns fast an die vorgeschrieben 60 km/h halten, bis wir ständig von russischen Fahrzeugen überholt werden - und anderseits ist Petersburg sehr groß. Fast 20 km macht uns die Stadt fahrtechnisch ihre Aufwartung. Und die Stadt ist am Freitagabend richtig belebt, sowohl mit Fahrzeugen als auch mit Fußgängern. Damit sich beide Kategorien nicht ständig in die Quere kommen, gibt es halt Ampeln …
So zumindest lernt der Fahrer Petersburg im Dämmerlicht rein verkehrstechnisch kennen, die Beifahrerin wird sich am nächsten Tag noch an viele imposante Gebäude und Gewässer erinnern …
Unser Ziel, der Progress Camping am Kulturhaus im Lesnoj prospekt 17/2, ist erreicht! Wir biegen laut Navi in eine Einfahrt ab und sind plötzlich von wild gestikulierenden jungen Männern in Uniform umgeben. Es sind Feuerwehrmänner, denn wir sind eine Einfahrt zu weit auf der Feuerwache gelandet. Also wenden, zurück auf die 6-spurige Hauptstraße nach links (!) und nach 30 m wieder nach links (!) in eine kleine Einfahrt neben einer kleinen orthodoxen Kirche abbiegen. Das Tor in den Minicamping ist eigentlich ab 21:00 Uhr geschlossen – so stand es in den Unterlagen - und nun ist es 22:30. Das Eisentor kommt in Sicht – Gott sei Dank, es ist offen. Die Autoren unserer Unterlagen waren alle Campingbusfahrer und meinten, die Zufahrt sei für „Dickschiffe“ nicht geeignet. Nun, jetzt ist klar: nur ein paar Zweige streicheln unser Womo, dann steht es nach einigem Rangieren auf einer kleinen Wiese unter Bäumen, es kann also kein „Dickschiff“ sein! OK, in der Hauptsaison kämen fast 9 m Länge und 2,34 m Breite um diese Tageszeit hier wahrscheinlich nicht unter.
Das Kulturhaus ist dunkel, erwartungsgemäß kein Mensch mehr da. Also feiern wir noch kurz unsere gelungene Ankunft nach einem abenteuerreichen Tag und legen unser müdes Haupt zur Ruh.
Der sehr freundliche und nette Gastgeber Mikael erklärt uns am kommenden Morgen alle Einrichtungen, gibt uns einen Stadtplan und etliche Informationen. Dann heißt es: St. Petersburg, wir kommen! Die Stadt der goldenen Kuppeln und schwarzen Oberleitungen wird erobert!
Die Metro ist zwar günstig aber unter Tage. Deshalb werden die eigenen Füße aktiviert (später strapaziert) und die wunderschöne Stadt erwandert, dabei förmlich in uns aufgesogen. Die Großzügigkeit und Lebendigkeit dieser Stadt hat es uns angetan.
Am Ende des Tages werden es nach einem Essen in einem italienischen Restaurant mit Lifemusik und freiem Open-Air-Klassik-Konzert ca. 15 km Wandern, 12 km Boots- und 5 km Taxifahrt sein, die sich an Fortbewegung aufsummieren.
Am darauf folgenden Sonntag bewegt uns zunächst die Metro in die Innenstadt – für 0,65 € pro Person und gefühlte 100 m unter der Erde – OK, die Neva muss unterquert werden. Wieder erwandern wir unsere Ziele und lassen uns auch nicht durch die Aufmärsche zum 315ten Geburtstag von St. Petersburg und Sperrungen vieler Straßen wie der Hauptstraße Nevskiy prospekt beirren. Diesmal geht die Wanderung u.A. bis zum Bogen der Nerva und die Smolny Kathedrale. Die wunderschöne orthodoxe Kirche mit Anlage kann sogar ohne Eintritt und 20 Busbesatzungen Begleitung besichtigt werden. Ein wohlschmeckendes Essen in einer verkehrsberuhigten Straße zurück aber etwas außerhalb der Innenstadt rundet den Besuch dieser wunderbaren Metropole ab, bevor uns die Metro wieder dem Womo näher bringt. Der große Leninplatz in diesem Stadtteil überrascht noch um 21:00 mit einem Wasserfontänenkonzert.
Fazit: St. Petersburg ist eine riesige, großzügige, saubere, wunderschöne, faszinierende Metropole, die alle Strapazen der Anreise vergessen lässt.
Impressionen aus Petersburg.
---1.5.2018
Mit Wehmut in unseren Herzen bleibt die Masurische Seenplatte zurück. Die Schönheit, die Ruhe und die Natur werden im Gedächtnis bleiben. Erst rumpelt, dann gleitet das Womo zur russischen Grenze. Die polnischen Grenzbeamten kontrollieren alle Papiere (auch die des Rollers) und nach der Frage der Länge des Womos möchte die junge Uniformierte auch gern noch einen Blick ins Innere des Fahrzeugs werfen. Was hier offensichtlich Interesse am Fahrzeug ist, sieht 50 m weiter noch sehr viel intensiver aus.
Dass mit Spiegeln auch die Unterseite des Fahrzeugs inspiziert wird, kennt man noch von den DDR-Grenzkontrollen. Für das Wohnmobil und den Roller müssen Zollpapiere ausgefüllt werden, damit wir beide auch wieder aus Russland ausführen dürfen. Doch alle 4 Grenzbeamten, die uns während des Procederes betreuen sind freundlich und verzeihen uns so manchen Fehler beim Ausfüllen der Formulare mangels russischer Sprachkenntnisse. Nach ca. 1,5 Stunden verschwindet der Grenzübergang im Rückspiegel. Einer von uns schaltet sein Handy komplett aus, die andere möchte für Kinder erreichbar bleiben. Bis plötzlich eine SMS des Providers ankündigt, dass das Internet beim Erreichen von € 59.- demnächst abgeschaltet wird. Aktuell seien bereits € 47,50 an Roaminggebühren für die Internetdatenübertragung angefallen.
Hinter dem Hotel Baltica am Stadtrand von Kaliningrad erwartet uns ein leerer Minicampinplatz. Innen strahlt das Hotel etwas Feudalismus aus, außen ist der letzte Anstrich mindesten eine Generation her. Die ca. 13 € Stellplatzgebühr inklusive Strom sind schon verkraftbar die 10 km Busfahrt in die Innenstadt für 0,26 € pro Nase und Strecke sensationell. OK, das kompensiert ein wenig die angefallenen Roaminggebühren...
Die Außenbezirke der Stadt entsprechen der Außenfassade unseres Hotels, die Innenbezirke allerdings ebenfalls. Um den Platz vor dem Rathaus, wo die Triumfal'naya Kolonna steht ist Alles sehr aufgeräumt, neu restauriert und mit frischen Blumen bepflanzt. Die Türme der Kirche Kafedral'nyy Sobor Khrista Spasitelya (Christus der Erlöser) überstrahlen alle anderen Gebäude mit ihren goldenen Kuppeln.
Viele Straßen um Kaliningrad werden komplett neu aufgebaut oder sind es bereits.
Impressionen aus Kaliningrad